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Die Bank, der Tisch und das Leben.:

Zwischen Handarbeit und Hightech: Für das Ferienhaus eines anspruchsvollen Kunden
schuf die Schreinerei Widmann Küchenmöbel
mit kommunikativem Anspruch.

Der frühe Morgen eines fast normalen Tages in der Schreinerei Widmann. Es ist noch ruhig, umso beeindruckender erscheinen die Dimensionen der Werkstatt in Donaueschingen-Neudingen. Siebenmal hat Widmann die Schreinerei in den letzten 35 Jahren erweitert, heute umfasst sie 1.600 Quadratmeter. Vorbei an hellen, modernen und verglasten Büroräumen führt uns Jens Heide, der neben Mike Hirt Geschäftsführer ist, in das nahe gelegene Kundenberatungszentrum. Es ist ein denkmalgeschütztes, von historischen Holzkonstruktionen geprägtes Gebäude. Heide startet das Notebook, auf dem großen Touchscreen erscheinen eine Küchenzeile, eine Kücheninsel, eine Eckbank und ein Esstisch.

Speziell Eckbank und Tisch könnten nicht weiter von einer Standardlösung entfernt sein. Auch wenn man es nicht auf den ersten Blick sieht. Der Kunde wollte für sein Ferienhaus am Bodensee eine Küche, die sich gestalterisch in eine Mischung aus alter und neuer Substanz fügte. Es muss perfekt sein, war seine Ansage. „Das Haus ist schon älter, aber architektonisch sehr anspruchsvoll und aufwändig umgestaltet“, berichtet Jens Heide. Die Objekte sollten sich nicht nur optimal in den Raum, den Stil und die Materialien vor Ort einfügen. Die Küche sollte auch zum Ort der Kommunikation, des Zusammenseins, des Lebens werden. So kam das Widmann-Team ins Spiel. „Zu uns kommen die Kunden, die es schön haben wollen, aber keine Innenarchitekten beauftragen möchten“, so die Erfahrung des 41-jährigen Schreinermeisters, der auch eine Ausbildung zum Betriebsmanager im Schreinerhandwerk absolviert hat.

Kommunikationstalent Sitzbank: um die Ecke geplant. Um die vielen braunen, dunklen Hölzer im Haus aufzunehmen, entschied man sich beim Holz der Eckbank für Amerikanischen Nussbaum. So korrespondiert die Bank auch mit den italienischen Horm-Stühlen „Ray Poltroncina“, die der Kunde schon im Vorfeld ausgewählt hatte und die mit ihrer sehr speziellen Lehnenform das Tischgestell inspiriert hatten. Schätzungsweise zwölf Personen können an dem 2,77 x 2,55 Meter großen Möbelstück Platz nehmen. Stark reduzierte Formensprache und Materialität waren gewünscht, ohne sichtbare Verbindungsmittel in der Bank. Deshalb fiel die Entscheidung auf die klassische Gratverbindung. Die ins Material gefräste konische Nut lässt das Holz in der Breite arbeiten, während das Schott im Rücken die Platte gerade hält. Und weil die Bank vor einem Heizkörper steht, erhielt die Rückenlehne Schlitze, durch die warme Luft kommt.

Ein Tisch entsteht: der „Trapezio“. „Je einfacher die Formensprache sein soll, desto schwieriger ist es, das Möbelstück zu entwickeln“, erklärt Jens Heide. Die schlichte Form mache es schwierig, so einen Tisch gemeinsam mit dem Kunden am CAD-Modell zu entwickeln. Deshalb baute das Widmann-Team – übrigens auch bei der Eckbank – zunächst ein Modell, damit der Bauherr die Dimensionen besser beurteilen konnte. Ebenfalls wichtig: Es sollte ein Tisch zum Leben werden. Ob man abends ein Glas Wein daran trinkt oder eine Kerze darauf tropfen lässt – dieser Tisch sollte alles ohne Murren und Macken mitmachen: einfach drüberwischen, fertig.

„Trapezio“, wie der italophile Kunde den robusten, 1,65 x 1,65 Meter großen Tisch nennt, hat es in sich. Die rund 80 Kilogramm schwere Tischplatte aus Nussbaum ist im Aufbau wesentlich komplexer, als es ihre reduzierte Form vermuten lässt. Weil die Tischplatte sich im Lauf der Zeit verziehen würde, fügte man beim Zusammenleimen der Hölzer Stahlstäbe ein – statt sichtbare Stahltraversen zu verbauen. Gleichzeitig verjüngt sich die Platte zur Kante hin von 4 auf 3 Zentimeter. Das lässt sie schlanker und haptisch wertig erscheinen. Man spürt den handwerklichen Anspruch, der in jeden Zentimeter des Tisches eingeflossen ist.

Kennzeichnend für „Trapezio“ ist die sinnvolle Kombination aus Technik und Handarbeit: Sämtliche Teile hat das Schreinerteam maschinell vorgeschliffen und von Hand nachgeschliffen. „Alles, was man spürt, die ganze Haptik, das ist Handarbeit“, fasst Projektleiter Martin Egle zusammen. Handarbeit sind aber auch die Verleimung der Platte und das Lackieren mit dem tiefmatten Lack, der den Nussbaum farblich etwas „anfeuert“, ohne seine natürliche Schönheit zu überdecken. Eine besondere Lösung wählte das Widmann-Team, um auch dem stählernen Tischgestell eine markante Optik zu verleihen. Es wurde zunächst mit Salzsäure abgewaschen, damit es korrodiert, anschließend erhielt der Stahl einen transparenten Lack, um den Korrosionsprozess zu stoppen. So harmoniert das Gestell stilvoll mit dem Ton des Nussbaums.

Der Küchenblock: schwebende Insel. Der dunkelblaue Küchenblock mitten im Raum ist im Zusammenspiel mit der raffinierten Küchenzeile ein weiteres Highlight der Küche. Eine kommunikative Insel, die sich harmonisch in das Ambiente einfügt. Sie vereint viel Stauraum, verschiedene Auszüge, ein eingeschweißtes Becken und ein Induktionskochfeld mit integriertem Abzug. Weil die Oberfläche kratzunempfindlich sein sollte, entschied man sich nicht für eine geschliffene, sondern eine warm gewalzte Edelstahlplatte. „Die hat sich in der Großküche bewährt, ist absolut pflegeleicht und bekommt eine schöne Patina“, erläutert Schreinermeister Martin Egle, der für Produktion und Montage verantwortlich ist. Mit seinem durch LEDs unterstützten schwebenden Design zieht der Küchenblock den Blick sofort auf sich.
Was ist hell, was ist dunkel? „Die Wandelbarkeit durch Licht, die Mixtur aus Kalt und Warmweiß kann den Charakter des Küchenblocks stark verändern“, erklärt Jens Heide.

Auf dem Weg zur CO2-Neutralität. Seit 40 Jahren entstehen bei Widmann ausschließlich individuelle Möbel. Die gestalterische Sicherheit, die das Unternehmen heute auszeichnet, ist das Ergebnis von viel Erfahrung und der Zusammenarbeit mit Innenarchitekten. „Erst produziert man eher, dann bekommt man viel Input von Gestaltern, und dann wird man selbst immer sicherer beim Design“, berichtet Heide. Design entstehe immer im Zusammenspiel zwischen ihm und dem Kunden. „Ich gehe immer auf Kundin oder Kunde ein und lasse mich inspirieren, aber sicher hat das Ergebnis immer auch meine Handschrift.“ Eine Stärke seiner Schreinerei liege eben in der Beratung und Planung.

Widmann nutzt schon seit längerer Zeit Technologien wie digitales Aufmaß, CAD/CAM und CNC für seine Prozesse. 2021 kam ein ERP-System hinzu, mit dem die Schreinerei sich daten- und prozesstechnisch neu aufgestellt hat. „Das war sehr aufwändig“, erinnert sich Jens Heide, „aber es macht unsere eingefahrenen Prozesse jetzt viel effizienter.“ Heides Vision ist die papierlose Werkstatt. Und die CO2-neutrale Produktion? Dieses Ziel rückt näher. Denn die Schreinerei Widmann produziert schon heute 70 Prozent ihres Strombedarfs selbst.